Der Begriff „Marketing“ hat bei der allseits umworbenen Gruppe der Konsumenten und Verbraucher leider immer ein gewisses „Geschmäckle“. Denn welchen anderen Sinn kann Marketing schon haben, als arglosen und gutgläubigen Menschen das Geld, das sie nicht haben, für Produkte aus der Tasche zu ziehen, die sie nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die sie nicht leiden können? Als bekennende Liebhaberin guter Werbung und als seriöse Marketingberaterin (oh ja, das gibt es!) will ich heute eine Lanze für einwandfreie werbliche Aktivitäten brechen. Und dazu möchte ich jetzt und hier mit fünf ebenso hartnäckigen wie falschen Vorurteilen gegen Marketing endgültig aufräumen.

1) Marketing ist bestimmt die Erfindung eines geldgierigen Kerls

Tatsächlich wurde der Begriff „Marketing“ in den glorreichen 1920er Jahren von einer Frau geprägt, die bei DOW Chemical in Lohn und Brot stand. Was diese wegweisend visionäre Dame eigentlich wirklich gesagt hatte, war „Going to the Market“; eine Sentenz, die in typisch amerikanischem Kaugummi-Slang bald phonetisch zu „Marketing“ verschliffen wurde. Der beabsichtigte Sinngehalt bestand in der logisch schlüssigen Erkenntnis, dass, wenn der Kunde nicht zum Anbieter kommt, der Anbieter eben zum Kunden gehen muss. Genau so wie mit dem Berg und dem Propheten. So gesehen ist der Marketinggedanke so alt wie die biblische Geschichte. Also ein Teil des kulturellen Erbes der Menschheit.

2) Marketing und Werbung ist doch das Gleiche

Reklame und Werbung sendet sehr schlichte Signale aus, die einzig und allein dafür gedacht sind, von der schieren Existenz eines Produktes oder einer Dienstleistung zu künden. Kennen Sie noch die herrlichen alten Emaille-Werbeschilder aus den Tagen, als die Reklame laufen lernte? Alles, was diese visuellen Sendboten aussagen konnten (und sollten), war: Hallo Welt, sieh doch bitte mal her, hier bin ich und es gibt mich und ich bin wahrscheinlich irgendwie nützlich für Dich. Ende der Durchsage. Marketing hat dagegen etwas sehr emotional Gezieltes, psychologisch Systematisches und handlungserleichtert Erfolgsorientiertes. Marketing setzt sehr planvoll und sehr fokussiert an, weckt schlafende Bedürfnisse und stimuliert entsprechend evozierte Nachfragen. Die kreischigen Sonderangebotsplakate im Supermarktschaufenster – das ist Werbung. Die Tatsache, dass die Billigsortimente und die günstigen Eigenmarken im Regal ganz unten stehen, wohin niemand sich wirklich bücken mag, und dass die Quengelware unmittelbar im Kassenbereich in zielgruppenorientierter Augenhöhe angesiedelt ist – das ist Marketing.

3) Marketing ist der hinterhältige Missbrauch elitären Herrschaftswissens

Allein die Tatsache, dass Sie, ja, SIE, jetzt gerade diesen Blogbeitrag hier lesen, straft dieses alte Vorurteil Lügen. Die neuropsychologischen Prinzipien, auf denen modernes Marketing basiert, werden nicht von irgendwelchen verschrobenen Weißkitteln im Elfenbeinturm hinter fest verschlossenen Laboratoriums-Türen gefangen gehalten, sondern präsentieren sich Tag für Tag in aller Transparenz in jedem Supermarkt, in jeder Einkaufspassage und in jedem Informationsmedium. Wahrscheinlich leben Sie gar nicht lange genug, um all das über Marketing zu sehen und zu lernen, was allein im Internet ohne jegliche Zugangsbeschränkung für neugierige Wissenshungrige in der online Auslage liegt. Sogar weniger spezialisierte Informationskanäle wie etwa der Anbieter Ihres gebührenfreien Email-Accounts bombardieren uns jeden Tag mit Erkenntnissen (beispielsweise) über die umsatzfördernde Wirkung von gezielt platzierten Düften, Farbstimmungen und Melodien, die in Shopping Malls die Brieftaschen erst locker sitzen lassen und dann geschmeidig öffnen möchten. Wer hier allen Ernstes behauptet, er habe von nichts wissen können, dem sollte umgehend die Maus entzogen werden. Oder die Lizenz zum verständigen Lesen.

4) Marketing will gutes Geld mit schlechter Ware ergaunern

Lassen Sie mich bitte eines ganz deutlich klar stellen: Wer als Dienstleister oder Händler kein hochwertiges seriöses überzeugendes Angebot zu offerieren hat, der hat auch absolut kein Recht auf treffsicheres Marketing. Und der sollte auch, pardon, sein ungewaschenes Maul halten und in Kundenhörweite fein still schweigen. Denn heute trifft es mehr denn je zu, dass Kunden sehr bald sehr selbstbewusst mit den Füßen (oder mit der Maus) darüber abstimmen, welches Produkt das gehalten hat, was das Marketing versprach, und welches leider nicht. Wenn ein kriminell hoch potentes schwarzes Schaf also versucht, mit modernen Marketingmitteln Kuhmist zu polieren, dann wird die Erkenntnis, dass das nicht geht, nicht lange auf sich warten lassen. So straft unsere kommunikative Informationsgesellschaft mit Lichtgeschwindigkeit sämtliche Luftpumpen ab, die mit Schrott einen schnellen Euro schießen wollten. Merke: Marketing funktioniert ausschließlich für Produkte, die im gegebenen Wort stehen und auch bestehen können. Lausige Lügner dagegen bestraft das Leben. So jedenfalls arrangieren es die kompetenten Kunden unserer Zeit. Darum mein Tipp: Wenn Sie glauben, dass ein Anbieter Ihnen nur überteuerte heiße Luft unterjubeln will, dann googeln Sie einfach nach Kundenrezensionen, nach Kritiken oder nach Erfahrungsberichten zum Thema. Dann werden Sie sich schnell selbst ein Urteil darüber bilden können, ob Sie hier mutmaßlich abgezockt oder königlich bedient werden sollen. Und sollte jemand dennoch planen, mittels Marketing sein schimmeliges Stroh zu Gold zu spinnen: Das ist schon dem legendären Rumpelstilzchen nicht so wirklich gut bekommen …

5) Modernes Marketing ist sittenwidrige Konsumnötigung

Selbstverständlich will Marketing letzten Endes verkaufen. Dazu ist es ja auch da. Na und? Wir, die Konsumenten, wollen ja schließlich auch kaufen! Und zwar möglichst nicht irgendwelchen lausigen Krempel, sondern die richtig guten Sachen. Oder die besten Schnäppchen. Oder die hochwertigen Produkte, die auch schon anderen Kunden viel Freude gemacht haben. Genau dabei hilft uns mundgerechtes Marketing. Es zeigt uns, mit welchen wohlfeilen Möglichkeiten wir uns prinzipiell unsere Wünsche und Träume erfüllen können, oder wenigstens unsere Probleme lösen. An dieser Stelle möchte und muss ich auch mal wieder betonen, dass Marketing keine neuen Bedürfnisse schafft, sondern lediglich real existente, aber vielleicht verschüttete Zielvorgaben psychologisch ausbuddelt und auf mentale Wiedervorlage packt. Wer mir das nicht glaubt, möge sich bitte mit dem Werk von Abraham Maslow befassen. Dieser selige Gründervater der humanistischen Psychologie und Erbauer der Bedürfnispyramide hat nämlich schon zu seiner Zeit alles auf dem Schirm gehabt, was Menschen grundsätzlich ins Handeln bringt. Da fehlt es wirklich an nichts. Und wenn gutes Marketing unentschlossenen Konsumenten den Weg in eine echte sinnstiftende nachhaltige Zufriedenheit weisen kann, dann möchte ich bitte gerne wissen, was daran falsch ist.

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