Die süßesten Früchte hängen immer am höchsten. Diese Erkenntnis ist so alt wie die Menschheit selbst. Darum wirkt eine „Beute“ stets umso attraktiver, je schwieriger es sich gestaltet, ihrer habhaft zu werden. Dabei können die Beschaffungs-Hindernisse sowohl aus räumlichen wie auch aus finanziellen Hürden aufgebaut sein. Letztere Variante führt zu den enormen Anschaffungs-Widerständen, die exklusive und hochpreisige Nobel-Marken wesentlich kennzeichnen. Zur Markenpersönlichkeit eines Luxus-Labels gehört es ganz einfach und absolut selbstverständlich dazu, dass es für den Geldbeutel grundsätzlich „leider teuer“ wird. Diese monetäre Facette der Markenpersönlichkeit ist aber nicht das einzige, was psychologisch basierte und mit der Urkraft menschlicher Instinkte befeuerte Begehrlichkeiten weckt. Wenn das elitäre Objekt der Begierde nicht nur teuer ist, sondern darüber hinaus auch noch von missgünstigen Torwächtern gehütet (oder vorenthalten) wird, ist der Triumpf nach dem abschließend getätigten Kauf noch mal so groß. Oder anders gewendet: Wer es an hochnäsigem, eingebildetem und großkotzigem Verkaufspersonal vorbei geschafft ist, um sich seine kostspieligen Luxuswünsche an Ort und Stelle edel zu erfüllen, den wird am Ende eine umfassende Befriedigung erfüllen. Ganz genau wie jenen Zeitgenossen, der die allerübelsten Aufnahmeprüfungen mit Bravour gemeistert hat, und dessen verdienter Lohn nun in der teuren Mitgliedschaft in einem exklusiven elitären Club besteht. So kommt es, dass patziges Personal im exklusiven Ladenlokal bei gut betuchten Kunden ein umsatzförderliches „Jetzt erst recht!“ evozieren kann, während freundlich servile Verkäufer, die es dem „Jäger“ beim Ergreifen den Beute allzu leicht machen, die gefühlte Attraktivität der wertvollen Ware spürbar beschädigen können. Verkehrte Welt. Oder?

Verbraucherforschung: Freche Verkäufer machen Kasse

Professor Darren Dahl (University of British Columbia, UBC) und seine engagierten Mitstreiter in Sachen Marketing Forschung haben diesen zunächst paradox erscheinenden Effekt exklusiver Einkaufsstraßen mit wissenschaftlicher Gründlichkeit an 359 Probanden im Labor kontrolliert untersucht. Den Versuchsteilnehmern wurden erdachte Szenarien vorgestellt, in denen sie in ihrer Vorstellung die Rolle des Kunden einnehmen sollten. Die Szenarien variierten dabei systematisch hinsichtlich der Variablen „Nobel-Marke oder Billig-Kette“ sowie „Verkaufspersonal freundlich und hilfsbereit bzw. arrogant und herablassend“. Nach den im Geiste durchgespielten Szenarien wurden die Probanden gebeten, ihre Wertschätzung zu den jeweils „inszenierten“ Marken anzugeben. Und siehe da: Wurden arrogant hochnäsige „Markenpersönlichkeiten“ von ebenso hochnäsig arroganten Verkäufern repräsentiert, stieg das Ansehen der Nobel-Marke deutlich über das ohnehin anfangs vorhandene freundliche Wohlwollen hinaus an. Die Luxus-Labels scheinen also am POS von schnodderigen Schnöseln zu profitieren.

Ist dieser seltsame Effekt robust?

Nein, ist er nicht. Denn es müssen schon ganz bestimmte Umstände ganz gezielt zusammenkommen, damit die Nasehochs auch für Umsatzhochs sowie für ein gesteigertes Prestige der Markenpersönlichkeit sorgen können:

  • Die Markenpersönlichkeit als solche muss sich in der emotionalen Wahrnehmung des Kunden stabil und überdauernd als elitär, exklusiv, abgehoben und „nicht für Jedermann“ darstellen. Dann – und nur dann! – wird das rotzige Verkaufspersonal als zum Luxus-Label passend und somit als konsequent stimmig gesehen und eingeschätzt.
  • Das schnodderige Verhalten des Verkäufers muss absolut echt und authentisch rüberkommen. Nur dann, wenn der Kunde dem Verkäufer das hoch tragen der Nase auch wirklich abkauft, wird es als stimmig mit der ebenso hochnäsigen Edel-Marke empfunden.
  • Der Effekt schwächt sich mit der Verweildauer im Ladenlokal und damit mit der Expositionsdauer ab. Das bedeutet: Irgendwann hat der Kunde dann doch die Schnauze voll von dem eingebildeten und überheblichen Verkaufspersonal. Oder anders gewendet: Je schneller es in so einem Setting zur Kaufentscheidung und zum Kauf selbst kommt, desto besser für die Luxusware. Je länger sich dagegen das Verkaufsgespräch hinzieht, desto schlechter für den Schnösel – und damit auch für die Ladenkasse.

Fazit

Wer als Einzelhändler vom Verkauf hochpreisiger Luxusgüter mit hochgradig elitärem Image lebt, ist gut damit beraten, sein Personal psychologisch clever zu schulen:

  • In den ersten Minuten des Verkaufsgesprächs sollte der Verkäufer ganz bewusst so agieren, als wolle er zunächst kritisch prüfen, ob der Kunde das begehrte Luxusgut überhaupt wert sei. Dabei müssen Arroganz und Überheblichkeit authentisch sein. Schließlich ist der Verkäufer ja nicht nur irgendein Registrierkassenknecht, sondern so etwas wie der noble Gralshüter für die Reichen und Schönen. Und das muss auch so rüberkommen.
  • Nach dieser ersten Phase der „Kundenbegutachtung“ (und sofern sich der Kunde dabei als würdig erwiesen hat), sollte der Verkäufer auf einen gnädigeren Ton umschwenken. Damit signalisiert er dem Kunden, dass der die strenge Aufnahmeprüfung bestanden hat.
  • Ab jetzt darf der Verkäufer freundlich, vielleicht sogar hilfsbereit sein. Schließlich ist man ja jetzt unter sich und auf Augenhöhe; ein gutes Gefühl, das der Kunde nach dem streng auf Selektion geschalteten Intro umso mehr (und umso spendabler) genießen wird.

Ach, übrigens …

Falls Sie selbst der Kunde sind, dann kann ich Ihnen nur so viel raten: Lassen Sie sich von eingebildetem und von schnodderigem Verkaufspersonal in Hochglanz-Läden nicht blöd von der Seite kommen. Schließlich wissen Sie ja jetzt, wo und wie der Hase läuft.