Vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihre Schulzeit, als im Deutschunterricht das Vier-Seiten-Modell (oder Vier-Ohren-Modell) von Friedemann Schulz von Thun vorgestellt wurde. Das Modell versucht, die zwischenmenschliche Kommunikation zu erklären, indem eine Nachricht unter vier Aspekten gesehen wird. Doch gilt das Vier-Seiten-Modell auch für die Kommunikation im Internet?

Der Sender äußert einen Sachinhalt, gibt damit aber auch etwas von sich selbst preis (Selbstoffenbarung). Außerdem spielt es immer eine Rolle, wie Sender und Empfänger zueinander stehen (Beziehungsebene). Jede Aussage ist mit einem Appell verbunden. Welche Wirkung möchte ich erzielen? Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehungsebene und Appell werden vom Empfänger aufgenommen und interpretiert. Oft klappt die Kommunikation problemlos, manchmal entstehen Missverständnisse.

Diese vier Ebenen treffen mittlerweile nicht mehr nur auf die Face-to-Face-Kommunikation zu. Die Kommunikation im Internet kann ebenfalls so erklärt werden. Auch wenn hier Intonation, Mimik und Gestik fehlen, kommunizieren wir virtuell miteinander. Oft nehmen ein Sender, aber mehrere Empfänger an der Kommunikation teil. Eine Ausnahme bilden Chats und private Nachrichten.

Der Sender schreibt eine Statusmeldung auf Facebook: „Sehe grad den Tatort. Toller Krimi!“ Der Sachinhalt bezieht sich auf den Fakt, dass er gerade einen Film im Fernsehen schaut. Mit der Bewertung „toller Krimi“ sagt uns der Sender, dass er den Film gut findet. Die Beziehungsebene handeln Sender und Empfänger untereinander aus. Wenn seine Freude wissen, dass der Sender großer Tatort-Fan ist, wird sie die Aussage nicht weiter verwundern. Die Beziehungsebene drückt immer die Verbindung zwischen Sender und Empfänger aus. Kennen sie sich gut oder gar nicht? Dies wirkt sich in diesem Fall auch auf die Interpretation des Appells aus. Meint der Sender, dass die anderen den Film auch schauen sollten? Oder das sie ihn ebenfalls gut finden sollten? Der Spielraum für Interpretationen bleibt. Facebook & Co. ermöglichen uns nun, Beziehungsebene und Appell auszuhandeln, indem Kommentare oder Retweets verfasst werden. Mit jedem Post geben wir aber immer viel von uns selbst preis.

Ähnliches gilt für Blogbeiträge. Neben dem Sachinhalt, dem Thema, über das man schreibt, geben Blogger ihre Meinungen, Einstellungen und Emotionen preis. Die Beziehungsebene zu den Lesern ist sehr unterschiedlich. Oft kennt der Blogger sie nicht persönlich, manche nur durch Emails, Kommentare oder soziale Netzwerke. Der Blogger baut zunächst einmal einseitig eine Beziehung auf. Daher muss der Appell hier deutlicher ausgedrückt werden, um keinen zu großen Raum für Spekulationen und Interpretationen offen zu lassen. Die Gruppe der Empfänger ist zu groß, um auf individuelle, treffende Interpretationen zu hoffen. Deshalb muss der Blogger klar ausdrücken, was er mit seinem Text aussagen möchte.

Das Vier-Seiten-Modell verschiebt sich im Internet also und muss für die verschiedenen Formen der Kommunikation im Web anders angewendet werden.